Angelusläuten

Das Läuten der Kirchenglocken frühmorgens, mittags und abends wird nach katholischer Tradition von einem Gebet begleitet, das „Angelus“ genannt wird. Dieses Gebet beginnt mit „Der Engel des Herrn“, es hat nach den lateinischen Anfangsworten (= angelus domini) seinen Namen.

Das Angelusläuten im Warndtdom erfolgt morgens um 8.00 Uhr, mittags um 12.00 Uhr und abends um 18.00 Uhr mit der kleinsten Glocke (Schutzengelglocke). Dieses Läuten ist unabhängig von den Gottesdiensten, da es von einer Tagesschaltuhr gesteuert wird. Die Schutzengelglocke wurde für diese Aufgabe ausgewählt, weil sie keine Funktion im Schlagwerk der Turmuhr inne hat und es somit auch keine Komplikationen mit der Mechanik der Uhr geben kann.

Aufbau des Angelus Gebets

Zum ersten Anschlag der Glocke betet man: „Der Engel des Herrn brachte Maria die Botschaft und sie empfing vom Heiligen Geist“. Dann wird ein „Gegrüßet seist du Maria“ gesprochen. Nach dem für dieses Gebet erforderlichen Zeitraum schlägt die Glocke zum zweiten Mal an und parallel dazu zitiert man aus dem Lukas-Evangelium: „Maria sprach: Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort.“ Es schließt sich erneut ein „Gegrüßet seist du Maria“ an. Zum dritten Glockenanschlag wird folgender Vers aus dem Johannesprolog gesprochen: „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt“. Danach betet man wiederum ein „Gegrüßet seist du Maria“. Während die Glocke nun richtig zu läuten beginnt, erfolgen eine kurze Anrufung an die Gottesmutter Maria und ein Schlussgebet, das die Dankbarkeit über Menschwerdung, Leiden und Auferstehung Christi zum Ausdruck bringen will.

Geschichtliches zum Angelusläuten

Das Läuten zu bestimmten Tageszeiten, wie das Angelusläuten, hat sich im 13. Jahrhundert von den Klosterkirchen ausgehend verbreitet. In den Klostergemeinschaften gab und gibt es vielfältige Gebetszeiten. Davon haben im Leben der christlichen Gemeinde jedoch nur noch Laudes (zum Sonnenaufgang), Sext (gegen Mittag zur ehemals 6. Stunde) und Vesper (zur Abenddämmerung) eine Bedeutung. Die Themeninhalte der Stundengebete, nämlich Auferstehung, Kreuzigung und Menschwerdung, sind in kurzer, volkstümlicher Form im Angelusgebet erhalten geblieben. Daher spricht man auch von einem „verkürzten Volksbrevier“.

Nachdenkliches zum Glockenläuten

Die Zeiten, in denen Glocken verstummten, gleich in welcher Region der Welt, gleich in welchem Jahrhundert, waren immer auch schlechte Zeiten für die Menschen.

Diktatoren und Revolutionäre brachten nicht nur die Glocke zum Verstummen.

Das letzte und gravierendste Beispiel dafür liegt uns sehr nahe und hat unsere Gesellschaft nachhaltig verändert.

Sechzig Jahre war im östlichen Teil Deutschlands und in weiten Teilen Osteuropas der Atheismus „Die Staatsreligion“. Und jeder dieser Staaten hatte das ausdrückliche Ziel: Die Vernichtung der christlichen Religion. Gleichzeitig wurde die Stimme der Glocke hörbar leiser, mancherorts war sie gänzlich verstummt, mit ihr die Menschen.

Und von den Nazis war der Mord an Juden, Sintis und Romas auch nur als Probelauf für diejenigen gedacht, denen man zunächst nur die Glocken – angeblich zu Kriegszwecken – wegnahm. Der wahre Grund für die Enteignung der Glocken war aber ein ganz anderer. Nach dem „Endsieg“ sollten nach dem ausdrücklichen Willen der Nazis nur noch 12 Glocken in Deutschland läuten: Über dem Reichstag in Berlin. Und auch bei uns ging das Schweigen der Glocken mit dem Stummwerden der Menschen und dem Dröhnen der Kanonen Hand in Hand.

„Da scheint es doch weit sinnvoller, wir beschäftigen uns wieder mehr mit dem Sinn ihres Läutens und mit der Eindringlichkeit ihrer Botschaft, denn mit der angstvollen Ungewißheit ihres Schweigens“ schreibt der Bischof von Erfurt, Dr. Joachim Wanke, im Rückblick auf die wechselvolle Geschichte der Glocke. Und in der Tat. Die Glocke wird, dessen bin ich sicher, zu einem wichtigen Testfall für unsere Kultur im Gesamten Europas „erklingen“. werden. Denn wenn es der Ratio gelingen sollte, das „nutzlos Schöne“ – wie der berühmte rheinische Kunsthistoriker Heinrich Lützeler einmal formulierte – aus unserem Alltag zu verbannen, dann werden wir auch endlich vom „widrigen Geklingel“ – wie Goethe im Faust Mephisto fluchen läßt – der Glocken befreit sein.

Die Geschichte aber lehrt seit 5000 Jahren und dies ohne jede Ausnahme:
Schweigen Glocken, sind Leben, Freiheit und Menschlichkeit unmittelbar bedroht. Schweigend beklagten sie dann auch den Verlust von Toleranz und Menschenwürde.